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Interview mit:

Jörg Forthmann (Krisenkommunikationsexperte)

Jörg Forthmann: „Von der Geschäftsentscheidung zur (Kommunikations-)Krise.“

Interview mit Jörg Forthmann (Krisenkommunikationsexperte)

KRISENKOMMUNIKATION WIRD OFTMALS VIEL ZU KURZ GEDACHT. ÜBER WELCHE BANDBREITE ERSTRECKT SICH LAUT IHRER FACHEXPERTISE DAS THEMA?

Der größte Hebel in der Krisenkommunikation liegt in der KRISENPRÄVENTION. Hierfür werden potenzielle Krisenthemen identifiziert und im Hinblick auf Eintrittswahrscheinlichkeit und Tragweite bewertet. Das lässt sich auch gut als Krisen-Landkarte illustrieren. Die wichtigsten Krisen sollten dahingehend geprüft werden, ob die Krisenursache beseitigt werden kann. Auf alle anderen Themen sollte sich handwerklich sauber vorbereitet werden: Faktenrecherche, Sprachregelung erarbeiten, neutrale Dritte als Verbündete aufbauen und ein Medienmonitoring aufsetzen, um möglichst schnell zu erkennen, wenn ein Thema hochkocht. Wenn es – trotz einer sorgfältigen Präventionsarbeit – dann doch zu einer Kommunikationskrise kommt, greift das klassische Besteck des Krisenmanagements und der Krisen-PR: Krisenstab bilden, Lage erkunden, Sprachregelung anpassen und die Kommunikation möglichst gesteuert angehen.


ICH MUSS GESTEHEN, DASS AUCH ICH DAS THEMA VIEL ZU KURZ GEDACHT HABE. KRISENKOMMUNIKATION BEGINNT SCHON WEIT VOR DER „ADHOC-KRISE“ BZW. DEM PHYSISCHEN SCHADENSEREIGNIS.

Damit sind Sie nicht alleine. Die meisten Unternehmen gehen unzureichend vorbereitet in eine Krise und machen im Ereignisfall typische Anfängerfehler.


DAS AKTUELLE BEISPIEL DER MARKE „RITTER SPORT“ VERDEUTLICHT SÄMTLICHE ASPEKTE EINER (KOMMUNIKATIONS-) KRISE… VON EINER STRATEGISCHEN ENTSCHEIDUNG AUF FÜHRUNGS- UND FINANZEBENE ERSTRECKT SIE SICH ÜBER DIE UNTERNEHMENSKOMMUNIKATION UND SICHERHEITSASPEKTE DES UNTERNEHMENS. WELCHE AKTEURE SOLLTEN IHRER MEINUNG NACH ENTWEDER VON VORNHEREIN IN SOLCHE ENTSCHEIDUNGEN EINGEBUNDEN WERDEN BZW. ZUMINDEST IM VORFELD KENNTNIS DAVON ERLANGEN?

Wenn absehbar ist, dass sensible Entscheidungen getroffen werden, die wahrscheinlich Empörung im Publikum auslösen, sollte unbedingt die Kommunikationsabteilung mit am Tisch sitzen. Je nachdem, wie erfahren die hauseigene Abteilung (Pressestelle) ist, rate ich unbedingt dazu, frühzeitig einen Krisenkommunikationsprofi hinzuzuziehen. Das Unternehmen hat in der Öffentlichkeit für sich, für seine Mitarbeiter und für die Kakaobauern gekämpft – das war aber zu wenig, um wirksam für die gesellschaftliche Akzeptanz zu kämpfen. Ursächlich ist die extreme Polarisierung durch den Ukraine-Krieg. Hier hätte es einen Winkelzug gegeben, der Ritter Sport deutlich weitergebracht hätte. Aber was Ritter Sport jetzt braucht, ist eine Kommunikationsstrategie, die aus der Misere herausführt.


Zum Hintergrund: Ritter Sport ist in den vergangenen Monaten in die Kritik geraten, da weiterhin Produkte nach Russland geliefert werden. Doch betriebswirtschaftlich gesehen ist das Russland-Geschäft gegenüber dem Deutschland-Geschäft enorm wichtig, da höhere Preise für Schokolade gezahlt werden.


SIE ANALYSIEREN MIT IHREM UNTERNEHMEN DIE KOMMUNIKATION ZU 27.000 MARKEN UND UNTERNEHMEN. DIESE ZEIGEN DEUTLICH DIE ZUNEHMENDE NEGATIVE TONALITÄT DER MARKE „RITTER SPORT“. KÖNNEN SIE DIE (IMAGE-) TRENDWENDE EINMAL KURZ SKIZZIEREN?

Ritter Sport ist vor dem Ukraine-Krieg eine sehr beliebte Marke gewesen. Keck und frech. Sympathisch. Bemüht um tolle Produkte. Und verantwortungsvoll in der Nachhaltigkeit. Aus Krisenkommunikationssicht hat Ritter Sport damit eine enorme Fallhöhe gehabt. Dieses tolle Unternehmen fällt jetzt diese schreckliche Entscheidung! Dementsprechend hoch ist die Viralität in der Diskussion. Ritter Sport wird massenhaft disliked, negativ kommentiert und es werden kritische Posts bereitwillig geteilt. Das spricht für eine hohe Emotionalität in der Debatte. Oder anders gesagt: Mit rationalen Argumenten ist dieser Krise nicht beizukommen. Diese Phase ist längst überschritten. Wir sind im emotionalisierten Raum, in dem wir den Mut zur Emotion in der Krisenkommunikation brauchen. Das ist eine gehörige Herausforderung.


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ERST KÜRZLICH HABE ICH IN EINEM SEMINAR BEI IHNEN ARGUMENTATIONSOPTIONEN GELERNT, MIT DENEN EINE KOMMUNIKATIONSSTRATEGIE AUFGEBAUT WERDEN KANN. „RITTER SPORT“ HAT SICH DAFÜR ENTSCHIEDEN, AN DIE STÄRKEN ZU ERINNERN UND DEM GANZEN EINEN NEUEN RAHMEN ZU GEBEN, INDEM SIE DIE ARBEITSPLÄTZE UND DIE KAKAOBAUERN IN DEN FOKUS RÜCKEN. DIESER FAKT IST SICHERLICH NICHT ZU VERNACHLÄSSIGEN. SEHEN SIE NOCH WEITERE ARGUMENTE, DIE INS FELD GEFÜHRT WERDEN?

Es hätte in der Frühphase die „adaptive Information“ gegeben: Ritter Sport kämpft darum, sich von der Abhängigkeit seines Russlands-Geschäfts zu befreien und fordert die Menschen auf, dem Unternehmen dabei zu helfen. Das klingt erst einmal illusorisch. Aber wer um Hilfe bittet, zeigt sich verletzlich. Gleichzeitig teilen wir die Verantwortung mit der Gesellschaft. Wenn dann keine gute Lösung möglich ist, sind wir alle gescheitert.


WARUM KOMMEN DIE ARGUMENTE NICHT GEGEN DEN ENTBRANNTEN SHITSTORM AN?

Der Shitstorm ist hoch emotionalisiert. Hier braucht es authentische Unternehmensrepräsentanten, gerne im Bewegtbild mit einer emotionalisierenden Ansprache. Außerdem frage ich mich, wo denn bloß all die Menschen sind, die Ritter Sport in seiner Begründung für die weitere Belieferung des russischen Markts anführt, also die Mitarbeiter und die Kakaobauern. Wo sind diese Verbündeten?


FALLEN IHNEN NOCH WEITERE ARGUMENTATIONSOPTIONEN EIN, DIE DAS THEMA GGF. IN EINE ANDERE RICHTUNG BRINGEN WÜRDEN ODER RÜCKBLICKEND GEBRACHT HÄTTEN?

Der Argumentationsraum ist für Ritter Sport arg eng. Man könnte noch an eine Relativierung denken und argumentieren, wie gering der Anteil von Schokolade im russischen Warenkorb ist – dass ausgerechnet Schokolade so gar keine Auswirkung auf die geopolitische Krise hat. Ritter Sport könnte auch die Politik ändern und eine Protest-Schokoserie auflegen. Gerne unterstützt durch Prominente. Nach dem Motto: Jetzt riskieren wir, dass wir aus Russland rausfliegen. Helft uns, dass wir das überleben. Dieser Weg muss allerdings wohl überlegt sein; möglicherweise ist es für diese Entwicklung bereits zu spät. Dem schmutzigen Kellerkind wird nicht mehr geholfen.


WELCHE OPTIONEN BESTEHEN AUS IHRER SICHT NOCH? DIE SPENDE EINES HOHEN PROZENTSATZES DER UMSÄTZE AN DIE UKRAINE, …

Die Idee, die Gewinne aus dem Russland-Geschäft zu spenden, war ganz nett. Aber das Publikum hat keine sachliche Lösung gesucht. Dies Krise lässt sich mit Rationalität nicht (mehr) gewinnen.


HERR FORTHMANN, VIELEN DANK, DASS SIE SICH DIE ZEIT GENOMMEN HABEN, UNSEREN LESERN DIE KRISENKOMMUNIKATION IN DER (KOMMUNIKATIONS-)KRISE EINMAL NÄHERZUBRINGEN! HOFFEN WIR, DASS DIES KEINE WEITEREN AUSWIRKUNGEN AUF DIE SICHERHEIT DER MITARBEITER UND SACHWERTE DES UNTERNEHMENS HAT.

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