SIUS Consulting Sicherheitsberatung

Berlin: 030 / 700 36 96 5
Frankfurt: 069 / 348 67 787
München: 089 / 215 42 831

kontakt@sius-consulting.com


Mitgliedschaften

Bundesverband mittelständische Wirtschaft

Bundesverband Deutscher Sachverständiger und Fachgutachter

Kompetenzpartner von SICHERHEIT. Das Fachmagazin.




Artikel zum Thema

Betrieblicher Ermittlungsdienst

(Betriebs-)Interne Ermittlung: Möglichkeiten der Vorgehensweise bei strafrechtlichen Handlungen

Nicht nur seit die Themen rund um Datenschutz und Compliance in den Fokus gerückt sind, gibt es die sogenannten internen Ermittlungen. Auch in der Vergangenheit kam es zu Unstimmigkeiten bei der Inventur, Verdachtsmomenten bei entwendeten Betriebsmitteln oder gar wirtschaftskriminellen Delikten wie Kartellrechtsverstößen und dergleichen. Doch was kann und sollte ein Unternehmen tun, wenn es Kenntnisse darüber erlangt, dass Sachwerte, Betriebsmittel oder persönliche Gegenstände der Beschäftigten verschwinden oder eine unrechtmäßige Einflussnahme erfolgt?


Bevor es zu Ermittlungsmaßnahmen kommt, muss ein Anfangsverdacht (beispielsweise Personen- oder Sachbeweise, abweichendes Verhalten der Person(-en)) einen Minimalgehalt an begründenden Umständen beinhalten. Es müssen ausreichend tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass durch eine Person/mehrere Personen ein Straftatbestand verwirklicht wurde. Dies können im unternehmerischen Umfeld Delikte wie z. B. Diebstahl, Datenschutzverstöße, Geheimnisverrat, Betrug, Veruntreuung bis hin zu Korruption, Erpressung, Wettbewerbsabsprachen oder Manipulation der Buchhaltung sein, die in den Bereich der Wirtschaftskriminalität fallen.


VOM ANFANGSVERDACHT ZU DEN MÖGLICHKEITEN DER INTERNEN ERMITTLUNG

Dem Arbeitgeber stehen vielfältige Möglichkeiten der internen Ermittlung zur Verfügung, um Sachverhalte zielgerichtet und wirksam aufzuklären. Die Ermittlungstätigkeit des Arbeitgebers findet aber grundsätzlich dort ihre Grenze, wo der Unternehmer aufgrund seiner Fürsorge- und Sorgfaltspflicht das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers zu schützen hat. Aus diesem Grund muss es im Rahmen der „Erforderlichkeitsprüfung“ für die einzelnen Ermittlungsmaßnahmen immer zu einer Interessenabwägung kommen. Auf der einen Seite das Interesse des Arbeitgebers, sich gesetzestreu zu verhalten. Auf der anderen Seite steht dazu im Spannungsfeld das Bedürfnis des Beschäftigten, dass in seine (Persönlichkeits-)Rechte nach Möglichkeit nicht eingegriffen werden sollte.


Sicherheitszeitschrift SICHERHEIT. Das Fachmagazin. (ePaper)

WAS IST VOR BEGINN DER INTERNEN ERMITTLUNGEN ZU BEACHTEN?

Grundsätzlich steht immer die Untersuchung des Fehlverhaltens/Sachverhaltes im Fokus, daher muss im Vorfeld unterschieden werden, ob es zu einer internen Ermittlung kommt, bei denen diverse fachübergreifende Beteiligte ausgewählt und eingebunden werden müssen oder ob sich der Sachverhalt niederschwellig klären lässt. Dies orientiert sich an der Komplexität, dem Schweregrad und der Dringlichkeit sowie der Glaubwürdigkeit der Fakten und Quelle(-n).


KERNZIELE DER INTERNEN ERMITTLUNG

  1. Aufklärung
  2. Legalitätssicherung
  3. Sanktionierung

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) beginnt die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist, sobald der Kündigungsberechtigte (Arbeitgeber, Geschäftsführer, Prokurist, Leiter Personal) eine „zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung ermöglicht, ob ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist“ (sog. Tatkündigung). Dies bedeutet, dass das Unternehmen zur Aufklärung des Sachverhalts nach pflichtgemäßem Ermessen alle notwendig erscheinenden Maßnahmen durchführen darf, ohne dass die Zweiwochenfrist zu laufen beginnt. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt der Vorstellung des Ermittlungsberichts an den Kündigungsberechtigten. Verstreicht diese Frist, ist eine fristlose Kündigung aus diesem Grund unwirksam.


MASSNAHMEN, DIE DER AUFKLÄRUNG DES SACHVERHALTS DIENEN KÖNNEN

Bei der internen Ermittlung stehen deutlich weniger Möglichkeiten zur Verfügung, die sich in 3 Aspekte kategorisieren lassen:

  1. Hintergrundrecherche
  2. Befragungen
  3. Datenanalysen und digitale Forensik

Die meisten internen Ermittlungsmaßnahmen zielen auf die technische Überwachung oder Auslesung digitaler Daten ab und sollten immer daraufhin eingesetzt werden, einen Sachzusammenhang darzustellen/zu analysieren. Allerdings sollte ab einem bestimmten Zeitpunkt auch eine Mitarbeiterbefragung durchgeführt werden.


DIE FOLGENDEN ERMITTLUNGSHANDLUNGEN SIND ZULÄSSIG

TELEFONÜBERWACHUNG

Das heimliche Abhören von Telefongesprächen – gleich ob dienstlicher oder privater Natur – ist generell unzulässig, außer der Beschäftigte stimmt ausdrücklich dem Abhören (z. B. Zweithörer, Lautsprecher, Aufzeichnung) zu. Die automatische Erfassung von Telefondaten (z. B. Anzahl der Telefonate, Zeitpunkt, Dauer, Zielnummer, Nummer des benutzten Apparats) bei Dienst- und Privatgesprächen aus dienstlichem Anlass ist erlaubt. Bei einer gestatteten Privatnutzung des Telefons unterliegt der Arbeitgeber nach überwiegender Auffassung dem Fernsprechgeheimnis des § 88 Telekommunikationsgesetz und darf sich demnach keinerlei Kenntnis von Inhalt oder näheren Umständen der Telekommunikation verschaffen.


E-MAIL-VERKEHR/INTERNETNUTZUNG

Für den E-Mail-Verkehr und besuchte Webseiten gelten die gleichen Vorgaben wie bei der Telefonüberwachung. Dienstlicher E-Mail-Verkehr darf grundsätzlich eingesehen werden. Bei privaten E-Mails dürfen gesendete Nachrichten nicht eingesehen werden, erhaltene und gespeicherte Mails hingegen schon. Wenn das Internet vom Beschäftigten ausschließlich zu beruflichen Zwecken genutzt werden darf, kann der Arbeitgeber den Datenverkehr kontrollieren; dies gilt insbesondere für E-Mails und den Verlauf besuchter Webseiten. Ist dem Arbeitnehmer die private Nutzung des Internets erlaubt, ist der Arbeitgeber dann zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 I Grundgesetz) verpflichtet.


KONTROLLMASSNAHMEN

Kontrollmaßnahmen (z. B. Torkontrollen) sind zulässig, sofern dringliche sachliche Gründe wie beispielsweise die Aufklärung einer (wirtschafts-)kriminellen Handlung dies nahelegen.

Da diese Maßnahmen aber in die Persönlichkeitsrechte eingreifen, müssen derartige Handhabungen am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausgerichtet werden. Es gibt allerdings auch Branchen, wo dies tägliche Praxis ist, was den Tätigkeiten (Logistik, Produktion etc.) geschuldet ist.


VIDEOÜBERWACHUNG

Videoüberwachungsmaßnahmen müssen grundsätzlich datenschutzkonform gestaltet sein, um auch gerichtsfest verwertet werden zu können. Dies setzt ein berechtigtes Interesse ebenso voraus wie die konkreten (bekannten) Vorgaben zur Auswertung, Löschung, Speicherung etc.

Eine verdeckte (heimliche) Videoüberwachung im Rahmen der Aufklärung von Straftaten sollte somit (juristisch) genauestens abgewogen werden und einem übergeordneten Interesse dienen oder, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft sind und die verdeckte Videoüberwachung somit das praktisch einzig verbleibende Mittel darstellt und dies insgesamt nicht unverhältnismäßig ist.


ZUVERLÄSSIGKEITSTESTS/TESTKÄUFE

Zu den Zuverlässigkeitstests zählen Ehrlichkeitskontrollen, Testkäufe und Schaltertests.

Diese Tests sind ausschließlich dann zulässig, wenn die Ehrlichkeit der Mitarbeitenden auf andere Weise nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen festgestellt werden kann. Das bedeutet, dass vor einem Testkauf erst andere Maßnahmen ohne Erfolg eingesetzt werden müssen, um dies zu rechtfertigen.


MITARBEITERBEFRAGUNG

Grundsätzlich ist der Beschäftigte dazu verpflichtet, dem Arbeitgeber sämtliche dienstliche Daten und Unterlagen in physischer und elektronischer Form herauszugeben (Beweismittelsicherung).

Der Arbeitgeber ist berechtigt, Mitarbeiterbefragungen im Rahmen von internen Ermittlungen zur Sachverhaltsermittlung durchzuführen. Hierfür sollte es einen gut durchdachten Ablauf und keine Generalverurteilung geben.


DAS MITARBEITERGESPRÄCH

Es ist ratsam, dem Beschäftigten die Angst vor dem Gespräch zu nehmen, indem der zugrundeliegende Sachverhalt und das Gesprächsziel klar und transparent vermittelt werden. Dabei sind stets die Voraussetzungen der Interessenabwägung zu wahren.

  1. Derartige Gespräche (anders im Bereich der Wirtschaftskriminalität) sollten in kleinem Rahmen stattfinden.
  2. Notieren Sie sich Zahlen, Daten, Fakten und machen Sie sich über die Gesprächstaktik Gedanken.
  3. Schaffen Sie eine angenehme und professionelle Gesprächsatmosphäre.
  4. Sie unterliegen keinerlei Belehrungspflichten, sollten den Beschäftigten aber auf seine Auskunftspflicht hinweisen, sofern es sich um schädigende Handlungen von Kollegen handelt. Im Bereich der Wirtschaftskriminalität sollte die Thematik der Selbstbelastungsfreiheit jedoch durchaus thematisiert werden.
  5. Formulieren Sie Sachverhalte nur als Tatsachen, wenn sie auch solche sind. Annahmen und Hörensagen sollten auch als solche formuliert werden.
  6. Beachten Sie objektive Tatbestände (Beweismittel etc.) und subjektive Tatbestände wie Vorsatz, Motivation, Kenntnisnahme.
  7. Verfassen Sie gemeinsam eine Gesprächsnotiz, die gegenseitig unterzeichnet wird.

Sicherheitszeitschrift SICHERHEIT. Das Fachmagazin. (ePaper)

Nach umfassender Klärung des Sachverhalts sollte ein Ermittlungsbericht erstellt werden, der die Darlegung von Fakten (anhand von Beweismitteln) manifestiert und Annahmen erläutert, um eine Grundlage für unternehmerische Entscheidungen zu haben und den Wissensstand nachvollziehen zu können. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sollte auch die Kommunikationsabteilung hinzugezogen werden, um zielgruppengerechte Kommunikationsstrategien vorbereiten zu können.


WANN IST DER GANG ZU STRAFVERFOLGUNGSBEHÖRDEN SINNVOLL?

Bei jedem Sachverhalt/Anfangsverdacht stellt sich die Frage, ob und wann eine Tat bei den Strafverfolgungsbehörden zur Anzeige gebracht werden sollte. Juristisch gesehen sind Unternehmen bei „normalen“ Compliance-Verstößen nur selten verpflichtet, eine strafrechtliche Ermittlung zu fokussieren. Allerdings kann sich eine faktische Anzeigepflicht aus dem Steuerrecht oder einzelnen Fachgesetzen ergeben. Ansonsten liegt es im Ermessen der Unternehmensführung, anhand der Interessensabwägung (Transparenz vs. Reputation und Vermögenssicherung) zu entscheiden, ob ein Sachverhalt angezeigt wird. So kann es durchaus im Interesse sein, Sachverhalte nicht offenzulegen (z. B. Spionage). Ein derartiges Verhalten wird dann nicht als Strafvereitelung im Sinne von § 258 Strafgesetzbuch gewertet.


KONSEQUENZEN NACH INTERNEN ERMITTLUNGEN

Jede Ermittlung sollte darin münden, neben den Sanktionen auch Optimierungen abzuleiten, denn nicht selten kommen Prozesslücken, regulatorische Schwachstellen oder unzureichende Kontrollmaßnahmen zutage.

Die Thematik der internen Ermittlung wird auch aufgrund der neuen Gesetzmäßigkeit zu Hinweisgebersystemen nochmal in den Fokus rücken. Daher ist es essenziell, dass die Unternehmensführung im Vorfeld formale Vereinbarungen etabliert, um effektive (fachkundige) interne Ermittlungen überhaupt zu ermöglichen.


Dieser Artikel ist mit freundlicher Unterstützung von Wolfgang Zier, Security Manager bei ARGO AI, ehemaliger Kriminalbeamter und Mitgründer von SecRoots GmbH entstanden.

Share by: