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Artikel zum Thema

Notfallseelsorge / Krisenintervention in Unternehmen

Notfallseelsorge/Krisenintervention bzw. Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) in Unternehmen

Dienstag, 30. Januar, 14:00 Uhr: Peter Neumann schaut von einer Kranbahn auf die gigantische Halle. Viele Maschinen, über denen der Geruch von Kühlmitteln und Schweißnähten dampft. Seit 13 Jahren leitet Peter das metallverarbeitende Unternehmen in zweiter Generation. Stolz blickt er auf das, was er in den letzten Jahren weiter ausgebaut hat: zwei große Hallen, ein Verwaltungsgebäude, 240 Mitarbeiter, Wachstum und Investitionen – Tendenz steigend.


Mittwoch, 31. Januar, 11:21 Uhr: EIN LAUTER KNALL!!!

Aus einer Acetylenflasche entweicht Gas, welches sich beim Schweißvorgang explosionsartig entzündet. Eine danebenstehende Sauerstoff-Flasche fällt um, das Ventil reißt ab, die Flasche nimmt an Fahrt auf, bis sie an einer Säule in zwei Teile gerissen wird. Aufgrund einer Explosion bersten zwei Scheiben in der Halle. Im Verwaltungsgebäude wackeln die Fensterscheiben. Peter Neumann schreckt an seinem Schreibtisch zusammen. Beide Telefone und sein Handy klingeln gleichzeitig. WAS TUN – ZUR HALLE, ANS TELEFON? In drei Minuten erreichen ihn gefühlt hundert Nachrichten: Der Mitarbeiter Sören Frings ist tot, vier zum Teil schwer verletzte Arbeiter sind noch in der Maschinenhalle, viele Arbeitende stehen unter Schock, haben leichte Brandwunden und sind ins Freie gerannt.


Warum? - Warum jetzt? - Wie konnte das passieren? - Wo fange ich an?

PETER! ZWINGE DICH ZUR RUHE!

  • Rettungsdienst – erst einmal anrufen?
  • Oder erst die Feuerwehr?
  • Oder wurde von der Halle aus schon angerufen?
  • Soll ich dahingehen? Brauchen sie mich da?
  • Wer informiert die Angehörigen?

Sicherheitszeitschrift SICHERHEIT. Das Fachmagazin. (ePaper)

Das Beispiel ist frei erfunden und trotzdem in der Realität direkt vorstellbar. Peters Gedanken hätten auch folgende sein können: Ich realisiere, dass ein Unglück passiert ist. Ursache ermitteln wir später. Wir alarmieren Feuerwehr, Rettungsdienst und unseren Krisenstab so, wie es seit 5 Jahren festgelegt ist. Jeder hat seine Aufgaben durchzuführen. Wir entsenden jemanden zum Einsatzort, der sich einen Überblick verschafft. Ich alarmiere das interne psychosoziale Unterstützungsteam.


„Ja, ich habe davon gehört, ich muss mich erst einmal sortieren!“ brüllt er seine Sekretärin an, die kreidebleich im Türrahmen steht.


Peter weiß, auf das psychosoziale Unterstützungsteam kann er sich verlassen. Die Rettungskräfte treffen ein, Verletzte werden behandelt und abtransportiert, die Maschinen stehen still, die Polizei sperrt ab, sämtliche Gasflaschen werden abgedreht. Die Polizei bittet Peter, mit zu den Angehörigen des Verstorbenen zu fahren, um dort gemeinsam die Todesnachricht zu überbringen. Er stimmt zu und übergibt seinem Vertreter die Krisenstabsleitung. Als er zurückkommt, betreut sein internes psychosoziales Unterstützungsteam die Belegschaft in der Kantine. Die Stimmung: Irgendwo zwischen Wut und Trauer. Das Team spendet Trost oder hört einfach zu. Viele Fragen werden beantwortet. Peter ergreift das Wort: „Es ist etwas Unfassbares passiert, was mit Worten nicht zu beschreiben ist. Wir wissen im Moment nicht genau, wie es weitergeht, aber wir werden versuchen, uns gegenseitig zu stützen! Unser Team und ich sind für Euch da, Ihr könnt uns Tag und Nacht anrufen oder ansprechen! Ihr seid mit Euren Gedanken nicht alleine!


IST DER ABLAUF NACH EINEM BETRIEBSUNFALL FÜR IHR UNTERNEHMEN SO VORSTELLBAR?

Oder haben Sie als Leser eher den konfusen Chef vor Augen, der mit steigenden Anfragen von allen Seiten nervös und hektisch von einer Übersprungshandlung in die nächste grätscht?


SIND SIE AUF BETRIEBSUNFÄLLE GUT VORBEREITET?

Produzieren Sie mit hoffnungsvollen „Passiert-schon-nix-Gedanken“ ein Schutzengel-Roulette oder haben Sie in Ihrem Unternehmen ein gut aufgestelltes Krisenmanagement inklusive eines internen psychosozialen Unterstützungs- oder Krisenteams?


ES MÜSSEN NICHT IMMER TÖDLICHE BETRIEBSUNFÄLLE SEIN.

  • Wissen Sie, wie die Belegschaft reagiert, wenn Bereiche Ihres Unternehmens ausfallen?
  • Wer fängt Mitarbeitende auf, wenn Bereiche des Unternehmens in Flammen stehen?
  • Welche emotionalen Reaktionen erwarten Sie, wenn eine oder mehrere Personen während der Arbeitszeit schwer verletzt werden?
  • Wie emotional reagieren Sie als Unternehmensführung?
  • Wie können Betroffene aufgefangen werden?
  • Haben Sie behutsam daran gedacht, dass Menschen Ihren Arbeitsplatz auch manchmal zur Durchführung eines Suizids nutzen?


Dass fahrlässig in vielen Unternehmen das Thema der psychosozialen Notfallversorgung oftmals unter den Teppich gekehrt wird, ist bekannt. Es gibt Chefs, welche sich in der Akutphase beispielsweise fragen: „Wäre es sinnvoll, nach dem Ereignis am nächsten Morgen oder zwei Tage später ein Frühstück auszurichten?“


Sicherheitszeitschrift SICHERHEIT. Das Fachmagazin. (ePaper)

PSYCHISCHE BELASTUNGEN FÜHREN ZU EINER NICHT UNERHEBLICHEN ZAHL VON KRANKHEITSAUSFÄLLEN. SOMIT SIND SIE EIN KOSTENFAKTOR UND FÜHREN ZU EINER (UNGESUNDEN) MEHRBELASTUNG.


Fragen Sie sich, ob eine betroffene Person zu einem Chef-Frühstück kommt und ihm mitteilt, dass sie ein Problem hat... Und plötzlich treffen die Krankmeldung und eine Erinnerung an das vor drei Monaten angefragte Zwischenzeugnis in der HR-Abteilung ein.


TIPP: „IM KOPF VOR DER LAGE SEIN!“ SOLLTE JEDERZEIT BEI EINEM SCHADENSEREIGNIS FÜR SIE ALS FÜHRUNGSKRAFT IHR BEDEUTSAMES ZIEL SEIN – UND GLEICHZEITIG MITARBEITERBETREUUNG DURCH EIN INTERNES UNTERSTÜTZUNGSTEAM MIT PSYCHOSOZIALEN KENNTNISSEN.


WELCHE AUFGABEN ÜBERNIMMT EIN SOLCHES PSYCHOSOZIALES UNTERSTÜTZUNGS- ODER AUCH KRISENTEAM?

Der „Chef“ leitet den Krisenstab, die Unternehmenskommunikation bereitet die Krisenkommunikation vor, der Facility Manager koordiniert die Haustechnik, die Produktionsleitung fungiert als Bindeglied zu den weiteren Führungskräften, die Personalabteilung sucht Kontaktdaten raus und koordiniert den Mitarbeitereinsatz der Folgetage, die Juristen beraten den Krisenstab, die Sekretärin dokumentiert die Arbeit des Krisenstabs und die Fachkraft für Arbeitssicherheit ist am Ereignisort.

  • Kurzfristig und ereignisnah angebotene psychosoziale Akuthilfe
  • Betreuung von Kollegen bei oder nach Schadensereignissen (Brand, Stromausfall, Betriebsunfall) etc.
  • Unterstützung bei Individualnotfällen und Krisenereignissen mit traumatischer Qualität
  • Begleitung der Belegschaft beim Tod eines Kollegen
  • Unterstützung von Betroffenen bei suizidalen Ereignissen
  • Strukturierung der vorhandenen Hilfesysteme (Meldeketten, Aushänge etc.)
  • Aufklärungsarbeit über mögliche eintretende Reaktionen und deren Folgen
  • Vermittlung im Bedarfsfall in Absprache mit dem Betroffenen zu weitergehender professioneller Begleitung, zu Trauergruppen oder Beratungsstellen
  • Unterstützung beim Zurückfinden zur Normalität

Eine psychosoziale Unterstützung im Kollegenkreis wird keine Form der Therapie oder Diagnostik ersetzen, sondern es gelingt vielmehr ein emotionales Auffangen im kollegialen Miteinander.


BASIS-AUSBILDUNG:

  • Grundlagen der Kommunikation
  • Umgang mit Konflikten
  • Erkennen von Burnout-Situationen
  • Erkennen von Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS)
  • Grundlagen der Trauma-Psychologie
  • Besonderheiten im eigenen Unternehmen
  • Organisatorische Abläufe
  • Vertrauenszusicherung
  • Erstellen von Aufgaben-Listen im Ereignisfall

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FRAGEN SIE SICH ALS FÜHRUNGSKRAFT MANCHMAL, WORAN SIE EXTREME BEL ASTUNGEN BEI IHREN MITARBEITENDEN ERKENNEN KÖNNEN?

Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder Sie merken es an atypischem Verhalten oder die Betroffenen sagen es Ihnen. Für Letzteres muss eine sehr große Vertrauensbasis zwischen Ihnen als Führungskraft und den/dem Betroffenen existieren. Gespräche werden ggf. gezielt gesucht oder passieren zwischendurch. In einem „kleinen Nebensatz“ signalisieren die Belasteten den Wunsch zu einem vertraulichen Gespräch und es liegt in Ihrer Führungsstärke, darauf adäquat zu reagieren.


WIE ERKENNE ICH ATYPISCHES VERHALTEN?

Mit Menschenkenntnis und Empathie. Ihr Personal/Die Person reagiert statt wie gewohnt mit Besonnenheit plötzlich hektisch, ist aufgebracht, zittert, schwitzt und hat ggf. Herzrasen. Überaktive Handlungen fallen auf, ebenso Konzentrationsschwäche bis hin zum Blackout. Diese plötzlich auftretenden Belastungsreaktionen sind „natürliche“ Reaktionen auf das unnatürliche (belastende) Ereignis. Gefährlich werden können unerkannte Belastungen.


Wenn aufgrund einer „weit entfernten Chef-Etage“ kein Zugang zum persönlichen Gedankenaustausch mit Mitarbeitenden da ist, wird es schwer sein, nach einem Vorfall den „Fels in der Brandung“ darzustellen. Sämtliche (gut gemeinte) Versuche wirken wie der Versuch, ein Pflaster auf eine stark pulsierende Blutung zu setzen und werden eher belächelt.


Wenn beim Gedankenaustausch mit der Belegschaft grundsätzlich Vertraulichkeit und Offenheit mitschwingen, ist das zeitnahe Ansetzen eines Beisammenseins nach einem Krisenvorfall (ggf. sogar mit den Partnern) das Beste, was Sie tun können. Es gibt Sicherheit, Informationen werden ausgetauscht und gemeinsam belastende Emotionen aufgefangen. Die Führungskraft als Fels in der Brandung verwirklicht Wertschätzung nach einem Extremvorfall und wird ernst genommen.


WARUM IST ES NICHT STANDARDMÄSSIG IN ALLEN UNTERNEHMEN ETABLIERT?

Bei den Feuerwehren und im Rettungsdienst gibt es seit ungefähr zwanzig Jahren PSNV für Einsatzkräfte nach Extremsituationen. Miteinander reden, gemeinsam belastende Eindrücke besprechen, die Emotionen auffangen, um arbeitsfähig zu bleiben sowie in Trainingseinheiten auf schwierige Lagen vorbereitet zu werden, das leistet ein solches PSNV-Team.


Flughäfen und Fluggesellschaften unterhalten SAT (Special Assistance Teams) in aller Welt. Sechzig SAT-Mitglieder aus mehreren Bundesländern betreuten nach dem Absturz der Germanwings-Maschine am Düsseldorfer Flughafen die Betroffenen über mehrere Tage. Sparkassen und Banken bilden Überfallbetreuer aus, damit Kassierer unbeschadet aus dem Ereignis herauskommen. Und in vielen Unternehmen wird auf hoffentlich herbeifliegende Schutzengel gesetzt? Ein Chef sollte sich bei einem Unglücksfall fragen, wie er als Arbeitgeber im Ernstfall alles mit seinem „Feldherrnhügelblick“ regelt.


Durch das Vorhalten eines Teams entwickelt die Belegschaft im Ereignisfall eine gesunde und stabile Bewältigungsstrategie bei sehr belastenden Eindrücken und können somit Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) entgegenwirken. Unglücksfälle, Gewalttaten und Katastrophen haben die Aufmerksamkeit zunehmend auch auf die psychosozialen Folgen dieser Ereignisse gelenkt und den Bedarf aufgezeigt, professionelle Hilfsangebote zu implementieren. Es ist unerlässlich, im Rahmen der Fürsorgepflicht ein psychosoziales Team mit breit gefächertem Angebot vorzuhalten und weiter auszubauen.


Zum Aufstellen eines solchen Unterstützungsteams werde je nach Unternehmensgröße mindestens zehn empathische MitarbeiterInnen benötigt, die eine 3-tägige Schulung als Basis-Wissen mit individueller Ausrichtung auf das Unternehmen durch einen erfahrenen Trainer erfahren haben. Die Themen können dann individuell ausgebaut werden.


Dieser Artikel ist mit freundlicher Unterstützung von Günter Nuth (Fachberater für Psychotraumatologie, Dozent an der Fortbildungsakademie des Ministeriums des Innern NRW für „Berufsethik und Einsatzbelastungen“ sowie Team-Mentor) entstanden.

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