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Artikel zum Thema

Interview mit Experten

Interview mit Rechtsanwalt Dr. Michael Neupert zum Thema: Verantwortung und Haftung von Krisenstabsmitgliedern

ZUR PERSON: Dr. Michael Neupert ist seit 2007 Prozessanwalt und betreut hauptsächlich technikbezogene Fälle. Er hat in Bochum studiert und promoviert, wo er an zwei Lehrstühlen mehrere Jahre im Verfassungs- und Verwaltungsrecht gearbeitet hat. Vor und während seines Studiums war Dr. Michael Neupert Rettungssanitäter. Er ist Fachautor, gefragter Referent und unterstützt regelmäßig bei Unternehmenskrisen, darunter auch bei schweren Betriebsunfällen.

Interview mit Rechtsanwalt Dr. Michael Neupert zum Thema: Verantwortung und Haftung von Krisenstabsmitgliedern

IN VIELEN UNTERNEHMEN IN DEUTSCHLAND EXISTIEREN TEILWEISE SEHR HOHE SICHERHEITSSTANDARDS. ES GIBT FÜR DIVERSE ARBEITSFELDER SCHRIFTLICH BESTELLTE UND VERSIERTE BEAUFTRAGTE, DIE DER GESCHÄFTSLEITUNG IM ALLTAG DEN RÜCKEN FREIHALTEN. DOCH WAS IST, WENN DOCH MAL WAS PASSIERT? DAS GROSSE CHAOS BRICHT AUS, ES GILT DIE LAGE ZU BEWÄLTIGEN UND ALL DIES NATÜRLICH SEHR SOUVERÄN UND NACH MÖGLICHKEIT AUCH NOCH FEHLERFREI. IST DAS REINES WUNSCHDENKEN ODER WORAUF KOMMT ES KONKRET AN?

Es ist Wunschdenken, dass man immer souverän und fehlerfrei arbeiten könnte. Mit einem solchen Anspruch kann man nur scheitern. Krisen sind ja deshalb Krisen, weil nicht alles optimal lief und läuft. Die Aufgabe ist, mit der Krise bestmöglich umzugehen und darauf kann man sich vorbereiten. Die Profis machen es vor: Um eine Akutsituation zu beherrschen, bilden Feuerwehr und Polizei Einsatzstäbe. Warum also nicht ein unternehmenseigener Krisenstab? Dieser muss sich in der Akutphase um die Gefahrenabwehr kümmern, kann dabei aber schon an Folgeaufgaben denken – den Weiterbetrieb zu sichern und mit den Behörden bzw. der Öffentlichkeit zu kommunizieren. So entsteht eine erste Grundlage, um das Ereignis später aufzuarbeiten.


WIE SEHEN SIE DIE ROLLE DES KRISENSTABS INNERHALB DER LAGE- BZW. EREIGNISBEWÄLTIGUNG?

In einer Krise ist die wichtigste Aufgabe, Strukturen zu schaffen. Struktur gibt Sicherheit und schützt vor Chaos. Dafür besteht ein großer Bedarf in Unternehmen, denn die Einsatzkräfte von Feuerwehr und Polizei kümmern sich im Ereignisfall vorrangig um ihre Aufgaben. Vom klaren Lagebild über unternehmerische Entscheidungen, die Kommunikation mit Behörden, Kunden, Mitarbeitern und der Öffentlichkeit bis hin zum angepassten Personaleinsatz und womöglich dem Aufbau einer notfallmäßigen Logistik: der Krisenstab muss innerhalb sehr kurzer Zeit bewerten, welche Folgen das Ereignis haben kann und was zu tun ist. Denn viele unternehmerische Notfallmaßnahmen brauchen Zeit und das bedeutet, sie müssen zügig eingeleitet werden, um zeitnah zu wirken.


WELCHE RECHTLICHEN STOLPERSTEINE GILT ES BEI DER KRISENSTABSARBEIT ZU ÜBERWINDEN UND WAS SIND DIE RECHTLICHEN SCHLUSSFOLGERUNGEN, DENEN SICH EIN KRISENSTAB STELLEN MUSS?

Bei der eigentlichen Krisenstabsarbeit gibt es keine besonderen rechtlichen Stolpersteine. Ein Krisenstab sollte im Blick haben, dass die Krise nach der Akutphase wahrscheinlich zum Rechtsfall wird. Dann geht es um Maßnahmen der Aufsichtsbehörden, Schadensersatzforderungen oder auch Schuldvorwürfe durch die Staatsanwaltschaft. Der Krisenstab sollte natürlich versuchen, etwaige Problemstellungen auf diesen Feldern nicht ohne Not zu vergrößern. Es versteht sich von selbst, dass Vertuschung keine gute Strategie ist. Dokumente zu unterdrücken oder zu manipulieren kann sogar strafbar sein. Notwendige Sicherheitsverbesserungen dürfen nicht beschränkt werden. Ich habe aber noch nie erlebt, dass Krisenstäbe so etwas versucht haben.


JEDES UNTERNEHMEN AGIERT BZW. REAGIERT UNTERSCHIEDLICH: EREIGNISSE WERDEN MITUNTER ANDERS WAHRGENOMMEN UND SOMIT GGF. AUCH ANDERS BEWÄLTIGT – OBWOHL OFTMALS DIE GLEICHEN INSTRUMENTE ANWENDUNG FINDEN. GIBT ES EREIGNISSE, BEI DENEN AUS RECHTLICHER SICHT MIT BESONDERER VORSICHT GEHANDELT WERDEN SOLLTE?

Bei Personen- oder Umweltschäden ermittelt praktisch immer die Staatsanwaltschaft. Dabei geht es nie nur um den einzelnen Mitarbeiter, sondern auch die Führungsebene wird abgeklopft. In solchen Fällen muss man sich darüber im Klaren sein, dass ein Ereignis gravierende Konsequenzen für einzelne Personen, aber auch für die Organisation im Ganzen haben kann. Deshalb sollten Unternehmen gut überlegen, wie sie in solchen Fällen agieren.

WELCHE (VERMEINTLICHEN) RECHTE ODER AUCH PFLICHTEN HABEN ERMITTLUNGSBEHÖRDEN IM EREIGNISFALL?

Staatsanwaltschaft und Polizei sind verpflichtet, etwaige Straftaten aufzuklären. Die Gewerbeaufsicht und andere Aufsichtsbehörden müssen sicherstellen, dass ein Unternehmen ordnungsgemäß und sicher betrieben wird. Das heißt: Solchen Ermittlungen kann man nicht ausweichen. Auch ein gutes Verhältnis zur eigenen Behörde schützt davor nicht. Die Ermittlungsbefugnisse reichen dabei weit: Tatortuntersuchungen, Zeugenbefragungen, Beschlagnahmung von Dokumenten und die Beauftragung von Sachverständigen sind möglich, um die Wichtigsten zu nennen. Bei schweren Ereignissen hat der Staat weitreichende Möglichkeiten, die ein Unternehmen spürbar belasten und einschränken können (Betriebsschließungen etc.).



WIE ESSENZIELL SCHÄTZEN SIE EINE VOLLUMFÄNGLICHE UND TRANSPARENTE ZUSAMMENARBEIT MIT ERMITTLUNGSBEHÖRDEN EIN? GIBT ES DINGE, DIE MAN ALS JURISTISCHER LAIE UNBEDINGT WISSEN ODER KENNEN SOLLTE?

Das ist so ein Punkt, an dem es unterschiedliche Philosophien gibt. Klar ist: Wer vollumfängliche und transparente Zusammenarbeit verspricht, muss diese auch liefern. Ansonsten ist die Glaubwürdigkeit dahin und die Ermittlungsbehörde erst recht aufmerksam. Deshalb bin ich mit solchen Zusagen mindestens so lange vorsichtig, bis ich selbst ein klares Lagebild habe. Daran ist nichts Unanständiges, denn niemand muss sich selbst belasten, und die Ermittlungsbehörden haben genug Mittel, um ihre Aufgabe eigenständig zu erfüllen. Die Frage legt aber den Finger an der richtigen Stelle in die Wunde. Anders als bei der Verteidigung von Einzelpersonen kann ich mich als Anwalt bei der Beratung von Unternehmen in Krisen meist nicht in Schweigen hüllen. Das übergeordnete Ziel ist, das Unternehmen möglichst schnell und frei von behördlichen Ermittlungen und Interventionen weiter zu betreiben, und zwar ordnungsgemäß und sicher. Daher ist Abwägung gefragt!


EINE HÄUFIG IN DER PRAXIS ERLEBTE HERAUSFORDERUNG BESTEHT DARIN, DASS SICH MITARBEITER/-INNEN FÜR DIE KRISENSTABSARBEIT NICHT ZUR VERFÜGUNG STELLEN WOLLEN, WEIL SIE ANGST VOR DEN RECHTLICHEN FOLGEN BEI Z. B. FEHLENTSCHEIDUNGEN HABEN. KÖNNEN SIE IHNEN DIESE ANGST EVENTUELL NEHMEN?

Wenn der Krisenstab aktiv wird, ist das Kind, juristisch gesehen, schon in den Brunnen gefallen. Allein wegen der Mitarbeit im Krisenstab muss man keine Sorge haben, für ein Ereignis verantwortlich gemacht zu werden. Eine Haftung für Fehlentscheidungen im Krisenstab ist in den allermeisten Fällen eine theoretische Sorge. Wenn wir nicht über Straftatbestände wie Dokumentenfälschung und Ähnliches sprechen, stellt sich ja schon generell die Frage, was bei der Krisenbewältigung eindeutig falsch sein soll.


HERR DR. NEUPERT, VIELEN DANK, DASS SIE SICH DIE ZEIT UND UNSEREN LESERN HOFFENTLICH DIE ANGST VOR DER ARBEIT IN DER KRISE GENOMMEN HABEN!



WELCHE WESENTLICHEN PUNKTE SOLLTEN UNTERNEHMEN IN JEDEM FALL BEACHTEN?

  • Krisenstab außerhalb einer Akutsituation einrichten und ausstatten.
  • Die Akutsituation hat Vorrang vor rechtlichen Überlegungen.
  • Höfliche Zusammenarbeit mit Behörden. Auch wenn das „normale“ Verhältnis kollegial ist, im Ereignisfall gibt es ggf. unterschiedliche (Ermittlungs-)Seiten, ohne etwas dafür zu können.
  • Experten hinzuziehen (eigene Rechtsabteilung).


Im Übergangsbereich zwischen Gefahrenabwehr und Rechtsfall bewusst handeln:

  • Keine Aussage ohne rechtlichen Überblick, außer zur Gefahrenabwehr!
  • Keine undurchdachten Ermittlungsversuche!
  • Auf keinen Fall Dokumente verändern oder vernichten!
  • Jedes interne Dokument als potenziell öffentlich behandeln!
  • Niemand muss sich selbst belasten!
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