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Artikel zum Thema
Pandemieplanung: (Ab-)Sicherung der betrieblichen Funktionsfähigkeit

Präventives Krisenmanagement: Pandemieplanung unter arbeitsrechtlichen und betrieblichen Aspekten

Frau Muster, die Sicherheitsmanagerin eines internationalen Mobilfunkkonzerns, befindet sich an einem Freitagvormittag in ihrem PKW auf dem Weg zu einer Fachtagung, als sie von einem Standortleiter telefonisch kontaktiert wird. Sein Anliegen: Meldungen über die Schweinegrippe werden medial immer stärker behandelt und die WHO (Weltgesundheitsorganisation) hat nun auch bereits die Pandemiestufe 6 ausgerufen – wäre es da nicht an der Zeit, den Krisenstab einzuberufen? So geschehen im Juni 2009, als das Thema „Pandemie“ und „Pandemieplanung“ noch mit einer gewissen Skepsis und Unwissenheit betrachtet wurde. Nach zahlreichen Influenza-Pandemien und Ausbrüchen von hochansteckenden Krankheiten sollte das Thema „Pandemie“ bzw. „Pandemieplanung“ – gerade auch bedingt durch die rasant wachsende Globalisierung – in allen Organisationen und Unternehmen angekommen sein und einer kritischen Betrachtung unterzogen werden. Doch was genau ist zu tun? Sollte man vorbeugen? Kann man überhaupt vorbeugen? Diese Fragen und mehr erörtern wir in dem folgenden Artikel.
DEFINITION „EPIDEMIE" VS. „PANDEMIE“
  • Eine Epidemie ist eine örtlich begrenzte Ausbreitung einer Infektionskrankheit (z. B. Ebola in Afrika).
  • Eine Pandemie ist eine länderübergreifende globale Verbreitung einer Infektionskrankheit. Hierbei taucht eine neue Erregervariante auf, die Menschen infiziert und eine ernsthafte Erkrankung hervorruft sowie sich leicht verbreitet (z. B. Spanische Grippe).

Die meisten Betriebe halten Krisen- und Notfallpläne für unvorhergesehene Ereignisse vor, in denen Verantwortlichkeiten, Meldewege, Handlungsanweisungen und Checklisten festgehalten sind, um bei plötzlich auftretenden unvorhergesehenen Ereignissen reagieren zu können. Diese sind intern sowie extern abgestimmt und werden (hoffentlich!) in regelmäßigen Abständen zielgruppenspezifisch geschult und mit Hilfe von Krisen- und Notfallübungen einem Praxistest unterzogen.
Doch der Pandemiefall ist anders. Er ist eine sich anbahnende Situation, auf die mit geeigneten Vorsorgemaßnahmen und einer gewissen Vorlaufzeit reagiert werden kann, um die betriebliche Funktionsfähigkeit möglichst lange aufrechtzuerhalten und letztlich auch die Gesundheitsrisiken für Mitarbeiter zu minimieren, da sich der Ausbruch einer Pandemie über mehrere Wochen erstreckt und die wirtschaftlichen Folgen noch länger anhalten können. Daher sollte die betriebliche Pandemieplanung als Szenario bei der eigenen Krisen- und Notfallplanung Berücksichtigung finden.

ERMITTELN SIE DIE MÖGLICHEN IN- UND EXTERNEN AUSWIRKUNGEN
In einem Pandemiefall kommt es zu einer veränderten Nachfrage nach Produkten und (Dienst-)Leistungen, die die Infrastruktur der Wirtschaft und Gesellschaft gefährden können. Zudem stehen Ressourcen mitunter nur noch eingeschränkt zur Verfügung. Aufgrund der hohen Abhängigkeit von Lieferprozessen und Wertschöpfungsketten sowie der vorherrschenden Just-in-time-Produktion kann es zu einem Dominoeffekt kommen, der weite Bereiche der Wirtschaft und Gesellschaft massiv einschränken kann.

ZAHLEN ZUR ANNAHME EINER PANDEMIE GEMÄSS DEM NATIONALEN PANDEMIEPLAN
  • Erkrankungsraten: 15 % bis 50 % der Bevölkerung
  • Dauer einer Grippewelle: 8 bis 10 Wochen
  • Dauer einer Pandemie: ungewiss

Daher geht es bei der Pandemieplanung vorrangig darum, dem möglichen Ressourcenausfall frühzeitig vorzubeugen und sich beispielsweise auf eine hohe Erkrankungsrate beim Personal einzustellen.
Da sich eine Pandemie nicht nur lokal ausbreiten wird, sondern auch über Landesgrenzen und ggf. ganze Kontinente hinweg, sollte man sich folgende Fragen stellen:
  1. Werden unsere Produkte und Dienstleistungen während einer Pandemie vermehrt nachgefragt und benötigt (z. B. Hersteller von Taschentüchern, Medikamenten und medizinischen Verbrauchsmaterialien, Speditionen/Lieferdienste etc.)?
  2. Zählen wir zu den kritischen Infrastrukturen (KRITIS), deren Leistungen kontinuierlich benötigt werden (z. B. Anbieter aus den Bereichen Ernährung, Energie, Informations- und Kommunikationstechnik, Gesundheit, Transport und Verkehr, Wasser etc.)?
  3. Wird auf unsere Produkte und Dienstleistungen ggf. sogar gänzlich verzichtet werden?
Neben der Prüfung der vertraglichen Verpflichtungen gegenüber seinen Kunden und/oder weiteren Dritten, müssen auch gewisse Grundsatzentscheidungen getroffen werden, ob und inwieweit die betriebliche Funktion aufrechterhalten werden soll bzw. sogar werden muss.
Daraus ableitend ergeben sich gewisse zu definierende (Vorsorge-)Maßnahmen.

GEHEN SIE DIE PANDEMIEPLANUNG SYSTEMATISCH AN
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die nächste Pandemie eintritt. Viele Experten gehen zudem davon aus, dass die Auswirkungen weitreichender sein werden als beim Ausbruch der Schweinegrippe im Jahr 2009. Spätestens, wenn die WHO die Pandemiestufe 4 ausruft, sollte man sich entsprechend vorbereiten:
  1. Welche Arbeitsschritte (bei welchen Produkten) sind unabdingbar oder müssen zwingend personell betreut werden?
  2. Welche externen Leistungen und infrastrukturellen Versorgungen werden zwingend benötigt? Diese und ggf. noch weitere betriebliche Prozesse müssen frühzeitig definiert werden. Für deren Umsetzung bzw. Aufrechterhaltung sind aber auch interne/externe Absprachen notwendig bzw. mitsprachepflichtig (z. B. Arbeitnehmervertretung, Facility Management, Unternehmenssicherheit, Arbeitsschutz, betriebsärztlicher Dienst, Finanzen etc.).

ARBEITSRECHTLICHE REGELUNGEN FÜR DEN PANDEMIEFALL
Der Arbeitgeber kann im Rahmen der arbeitsrechtlichen Regelungen – und unter Einhaltung mitgeltender Vorschriften und der aktuellen Rechtslage – gewisse Vorgaben im Pandemiefall u. a. zur Deaktivierung von Personal geben. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn der Betriebsbereich und dessen individuelle Leistung in einem Pandemiefall nicht benötigt wird oder, um die Ansteckungsgefahr – die bereits 24 Stunden vor den ersten Anzeichen erhöht ist – zu minimieren.

Um eine rasche Umsetzung zu ermöglichen, sollten derartige Eingriffsmöglichkeiten im Vorfeld rechtlich geprüft und im Rahmen der gültigen Tarifverträge, rechtlichen Gegebenheiten oder der Mitbestimmung/Unterrichtung im Betrieb definiert werden.
Dies bezieht sich beispielsweise auf
  • die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes oder von Home-Office,
  • die Anordnung von Überstunden,
  • bestimmte Schutzmaßnahmen zu treffen wie z. B. die Desinfektion von Arbeitsräumen,
  • die Anordnung von Freistellungen, Urlaub oder Nacharbeit sowie
  • die Einführung von Kurzarbeit (in Abklärung mit der zuständigen Bundesagentur für Arbeit).

Weiterhin ist Folgendes zu prüfen:
  • Der Umgang mit Problemstellungen resultierend durch die beschränkt steuerbare Abwesenheit von Beschäftigten (z. B. aufgrund der Betreuung Angehöriger, Kindergarten-/Schulschließungen, ehrenamtlichen Verpflichtungen oder mangels öffentlicher Verkehrsmittel oder auch bedingt durch die Angst vor Ansteckung etc.).
  • Die Vertragsgestaltung mit Leiharbeitnehmern oder Subunternehmern.
  • Die Fürsorge- und Sorgfaltspflicht zum (Gesundheits-)Schutz aller Arbeitnehmer (z. B. durch Zugangskontrollen, berührungsfreie Fieber-Messungen, Pflicht zum Tragen von Mund- und Nasenschutz etc.).
  • Die Sicherstellung der Verfügbarkeit von Schlüsselfunktionen (Krisenstab) mit erweiterten Anwesenheitspflichten sowie deren entsprechender Versorgung.

Insbesondere für den Pandemiefall, aber natürlich auch für den Alltag und daraus resultierende Ansteckungsgefahren ist es wichtig, Mitarbeiter für das Thema zu motivieren und entsprechend zu sensibilisieren.
Der Arbeitgeber kann hier mit gutem Beispiel vorangehen, indem z. B.
  • Gesundheitstage,
  • Unternehmenssport- und Fitnessveranstaltungen,
  • Gesunde Ernährung,
  • Impfprophylaxen,
  • Gesundheitschecks oder
  • Verhaltensregeln für den Krankheitsfall
angeboten werden.

DIE NACHFOLGENDEN THEMEN KÖNNEN SIE BEI DER BETRIEBLICHEN PANDEMIEPLANUNG UNTERSTÜTZEN.
Stellen Sie sich die 3 Grundsatzfragen:
  1. Muss der Betrieb zwingend aufrechterhalten werden und wenn ja, in welchen Bereichen?
  2. Welche Betriebsabläufe und personellen Besetzungen sind zwingend erforderlich?
  3. Zu welchen externen Produkten und (Dienst-)Leistungen besteht eine zwingende Abhängigkeit? (Hinweis: Binden Sie die betroffenen Abteilungen aktiv und frühzeitig in die Planung mit ein.)
CHECKLISTE: BETRIEBLICHE PANDEMIEPLANUNG
  • Definieren Sie Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten (Pandemie-Planungsteam).
  • Legen Sie interne und externe Alarmierungs-, Kommunikations- und Verhaltensregeln fest.
  • Erstellen Sie konkrete Handlungsanweisungen.
  • Führen Sie Sensibilisierungsmaßnahmen/-kampagnen durch.
  • Vorsorgemaßnahmen und deren Ausgabemodalitäten sollten definiert und ggf. auch bevorratet werden (z. B. Desinfektionsmittel, Einmalhandtücher, Atemschutz, Handschuhe etc.)
  • Eruieren und definieren Sie Schlüsselpersonen im Betrieb unter Berücksichtigung sozialer Aspekte, der Motivation sowie Betreuung und Versorgung.
  • Halten Sie sich stets über die offiziellen (Behörden-)Kanäle auf dem Laufenden (Gesundheitsamt, Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Robert Koch-Institut, WHO etc.).
  • Erarbeiten Sie Informationsschreiben, Plakate etc. für den Pandemiefall (Empfehlung: www.infektionsschutz.de).
  • Planen Sie Prophylaxe-Maßnahmen (z. B. Impfaktionen, Einhaltung von Erholungsphasen, Aktion „Arbeiten an der frischen Luft“, kostenfreies Obst etc.).
  • Prüfen Sie die Bevorratung von Betriebsstoffen, Medikamenten, Getränken, Lebensmitteln etc.
  • Intensivieren Sie die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen, Behörden und Organisationen, die ggf. vor selben oder vergleichbaren Herausforderungen stehen.
  • Definieren Sie den betrieblichen (Mindest-)Personalbedarf sowie den Umgang mit erkrankten Personen.
  • Finden Sie Möglichkeiten zur allgemeinen Kontaktaufrechterhaltung mit Mitarbeitern, Kunden, Geschäftspartnern etc.
  • Definieren Sie Schritte und Maßnahmen zur Rückkehr in den Normalbetrieb (z. B. berufliche Rehabilitation von Mitarbeitern, Würdigung der Leistungsbereitschaft Einzelner, Betriebsabläufe normalisieren, Beweissicherung für etwaige Rechtsansprüche gegenüber Dritten etc.).
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