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Artikel zum Thema

(Notfall-)Alarmierung von Beschäftigten

(Notfall-)Alarmierung von Beschäftigten in öffentlichen Einrichtungen

Gewalt und aggressives Verhalten im öffentlichen Raum und in öffentlichen Einrichtungen nehmen immer mehr zu. In das kollektive Gedächtnis eingebrannt haben sich die Amokläufe an deutschen Schulen und die jüngsten Terroranschläge in Halle, Berlin, Münster, Nizza, Wien und Paris. Doch wie lassen sich Besucher und Beschäftigte öffentlicher Einrichtungen im Fall des Falles schützen? Studenten, Schüler, Patienten, Behörden- und Museumsbesucher erwarten wirkungsvolle Konzepte für den Umgang mit Notfällen und anderen Gefahren. Auch die Fürsorgepflicht von Dienstherren und Arbeitgebern erfordert im Rahmen der Arbeitsschutzgesetzgebung Gefahren an Arbeitsplätzen von Beschäftigten zu erkennen und Schutzmaßnahmen zu ergreifen.


Die Bewältigung von Notfall- und Gefahrensituationen verläuft in fast allen Fällen nach einem ähnlichen Schema ab:

  • EINE GEFAHR WIRD ERKANNT → ES WIRD EIN ALARM AUSGELÖST → EINE BESTIMMTE STELLE WIRD DARÜBER INFORMIERT → HILFSMASSNAHMEN WERDEN IN DIE WEGE GELEITET.

Je nach Gefahrenereignis werden die Gebäudenutzer über die Situation informiert, automatisch externe Einsatzkräfte alarmiert oder rein interne Maßnahmen angestoßen. Technische Systeme wie Notfall- und Gefahren-Reaktions-Systeme (NGRS) unterstützen diese Art der Alarmierung in Not- und Krisenfällen.

NOTFALL- UND GEFAHREN-REAKTIONSSYSTEME BIETEN WERTVOLLE UNTERSTÜTZUNG

Die Planung eines NGRS stellt viele Einrichtungen vor die Frage, wie diese ausgestaltet werden sollte. Bei dieser Fragestellung unterstützen

  1. die Bundesländer, Kommunen und Aufsichtsbehörden mit zahlreichen Informationen und Vorschriften zum Umgang mit Not- und Krisensituationen.
  2. die örtliche Polizei, die im Regelfall über zahlreiche praktische Erfahrungen verfügt.
  3. zahlreiche weitere Institutionen wie z. B. die gesetzlichen Unfallversicherungen mit einer Fülle von Informationen.
  4. nicht zuletzt auch Errichter von Sicherheitssystemen mit wertvollen Planungs- und Anwendungshinweisen.


AUCH NORMEN SCHAFFEN KLARHEIT

Mit dem Erscheinen der Normenreihe DIN VDE V 0827 im Jahr 2016 stehen Behörden, Planern, Errichtern und Betreibern öffentlicher Einrichtungen zahlreiche Informationen zur Verfügung, die zur Planung, Umsetzung und für den Betrieb eines NGRS essenziell sind. Mit dieser Norm werden Anforderungen an die Organisation und an technische Systeme geregelt, die in öffentlichen Einrichtungen oder vergleichbaren privaten Unternehmen in Notfällen und Gefahrensituationen einen Alarm auslösen, Hilfe rufen, Betroffene warnen und Handlungsanweisungen geben.


SCHRITT 1

RISIKOBEWERTUNG: WELCHE GEFAHREN LAUERN?

Bei der Planung ist im Rahmen einer Risikobewertung als Erstes die Frage nach den Bedrohungen zu stellen, bei deren Bewältigung ein NGRS unterstützen soll. Die unterschiedlichen Bedrohungen lassen sich grob danach einteilen, in welcher Form Polizei, Feuerwehr oder Rettungsdienste einbezogen werden müssen. Daraus ergeben sich bereits grundlegende Anforderungen an das NGRS hinsichtlich der Alarmierungswege und Information der Gebäudenutzer.


Werden den einzelnen Bedrohungen Eintrittswahrscheinlichkeiten zugeordnet, wie beispielsweise Erfahrungen aus der Vergangenheit oder Ereignisse in anderen Einrichtungen, lassen sich Sicherheitsgrade für das NGRS bestimmen, die die Höhe des Risikos abbilden. Der Sicherheitsgrad beeinflusst die technische Auslegung eines NGRS wie dessen Übertragungssicherheit oder die Häufigkeit von Systemprüfungen. So ist gemäß DIN VDE V 0827-1 ab Grad 2 zur Alarmverifizierung beispielsweise eine Sprachkommunikation zwischen Auslöser und hilfeleistender Stelle vorzusehen.


TIPP: Sollen mögliche Amoktaten berücksichtigt werden, ist das NGRS grundsätzlich an die Polizei anzuschließen. In diesem Fall ist diese in die Planung einzubeziehen, da derartige Anlagen gemäß der bundesweit gültigen Richtlinie für Überfall-/Einbruchmeldeanlagen (ÜEA) bzw. Anlagen für Notfälle/Gefahren mit Anschluss an die Polizei und nach DIN VDE V 0827 zu planen sind. Die ÜEA-Richtlinie wertet alle Anlagen „die aufgrund einer Betätigung eines Tasters/Schalters […] mit dem Ziel, […] die Polizei zu alarmieren und wo lokal ggf. eine Alarmierung erfolgt“ als NGRS.



SCHRITT 2

TECHNISCHE REALISIERUNG EINES NGRS

Die technischen Eigenschaften eines NGRS leiten sich aus der Risikoanalyse und den daraus folgenden erforderlichen Sicherheitsgraden sowie den für die jeweilige Einrichtung bestimmten Schutzzielen ab.

Eine zentrale Rolle spielt dabei der Alarmierungsablauf, der grundsätzlich für alle Gefahrenfälle in die Abfolge DETEKTIEREN → ALARMIEREN → INFORMIEREN → REAGIEREN gebracht werden kann.

Dabei müssen für jede Notfall- bzw. Gefahrensituation unter anderem folgende Fragen geklärt werden:

  • Soll ein manueller Alarm von „Jedermann“ oder nur von autorisierten Personen ausgelöst werden?
  • Sollen die Einsatzkräfte, die Notruf- und Serviceleitstelle bzw. ein Wachdienst und/oder die Gebäudenutzer alarmiert werden?
  • Sollen Einsatzkräfte direkt oder über eine verantwortliche Person der Einrichtung alarmiert werden?
  • Soll intern still oder akustisch (laut) bzw. automatisch oder manuell alarmiert werden?
  • Soll ein Alarm durch Zuschalten in die Szenerie (Hineinsehen oder Hineinhören) verifiziert werden?
  • Sollen Gebäudenutzer/-bereiche durch individuelle Sprachdurchsagen informiert werden?
  • Sollen Türen für ein „Verbarrikadieren“ besonders ausgestaltet werden?

TIPP: Viele Sicherheitssysteme spielen in mehreren Phasen eine wichtige Rolle. So kann mit dem Alarmknopf einer Schul-Notruf-Sprechanlage ein Notruf ausgelöst werden. Die Sprechverbindung ermöglicht eine Klärung der Situation durch einen gezielten Sprachdialog. Einsatzkräfte können einen Alarm aus der Ferne verifizieren und gefährdeten Personen Anweisungen erteilen.


WIRTSCHAFTLICHKEIT EINES NGRS

Je höher das Risiko und damit der Sicherheitsgrad eines NGRS ist, desto höher sind die zu erwartenden Kosten. Doch bei solch einem System steht die Sicherheit an erster Stelle und die Wirtschaftlichkeit lässt sich durch unterschiedliche Maßnahmen verbessern, wie beispielsweise das Nutzen als (Schul-)Klingel, Sprachalarmierungs- oder Beschallungsanlage, die Gegensprechfunktion als Türöffnung oder als Zutrittskontrollsystem zur Minimierung von Schlüsselverlusten und der Herstellung einer Schließhoheit.

TIPP: Bereits während der Planung eines NGRS sollten die Maßnahmen zur Vermeidung von Fehl- bzw. Falschalarmen (z. B. Vandalismussicherung) berücksichtigt werden. Größere Evakuierungsmaßnahmen oder gar der Einsatz eines polizeilichen Spezialeinsatzkommandos bei einer vermeintlichen Amoklage führen leicht zu einer Traumatisierung. Darüber hinaus können hohe Kosten und bedeutende Imageschäden entstehen.


TECHNIK ALLEIN REICHT ABER NICHT!

Technische Systeme leisten wertvolle Unterstützung in Notfällen und Gefahrensituationen, reichen jedoch für eine adäquate Ereignisbewältigung allein keinesfalls aus. Vielmehr müssen sie in umfangreiche organisatorische Maßnahmen eingebettet sein, um ihre volle Wirkung zu erzielen. Dazu zählt beispielsweise das Festlegen von Informationswegen, regelmäßige Schulung des Personals oder das Bilden von Krisenstäben. Technische und organisatorische Maßnahmen sind eng miteinander verflochten und besitzen wechselseitige Abhängigkeiten. Deshalb empfiehlt es sich, die Aufgaben für Planung, Betrieb und Dokumentation eines NGRS zu bündeln. Die DIN VDE V 0827-1 beschreibt dazu einen „Technischen Risikomanager“, der unter anderem Risikobewertungen vornimmt, geeignete organisatorische, personelle, technische und bauliche Maßnahmen vorschlägt, ein NGRS auswählt und die Dokumentation in Form einer Risikomanagement-Akte führt.


Ein weiteres wichtiges organisatorisches Element stellen präventive Maßnahmen dar, die das Ziel verfolgen, Gewalttaten bereits im Vorfeld zu detektieren bzw. frühzeitig zu eliminieren.

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