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Artikel zum Thema

Arbeitsalltag einer außerbehördlichen Leitstelle

Arbeitsalltag einer außerbehördlichen Leitstelle

MISSION IMPOSSIBLE? ODER NUR EINE FRAGE DER QUALITÄT? Durch den täglichen Bedarf an situationsbedingtem Handeln wird die Belegschaft einer Leitstelle (LST) oft vor große Herausforderungen gestellt. Neben den einzelnen Meldewegen und Bearbeitungsschritten zeigt sich die Problematik auch in den Themenfeldern Personalmangel, Budget- und Qualifikationsdefizit, Zeitdruck, einem hohen Maß an geforderter Eigenverantwortung, dem Kommunikationsniveau und unausgereiften technischen Systemen.


Eine Leitstelle ist ein zentraler Ort, von dem verschiedene Aktivitäten koordiniert und überwacht werden. Sie dient als Schnittstelle zwischen verschiedenen beteiligten (technischen) Stellen/Einrichtungen und ermöglicht eine effiziente Steuerung von Prozessen und Ressourcen, die eine sofortige Hilfeleistung oder Unterstützung ermöglichen. Über die technischen Überwachungseinrichtungen können Informationen empfangen und verarbeitet werden und, wenn erforderlich, entsprechende Gegenmaßnahmen angeordnet werden.


DEFINITION: Eine Leitstelle, Leitwarte, Sicherheitszentrale oder ein Command Center ist eine Notruf-, Alarm- und Fernmeldezentrale für (betriebliche) Meldeanlagen aus der Sicherheitstechnik, Gebäudeleittechnik oder auch weiteren Anwendungen wie Produktion, Verkehr etc.


LEITSTELLEN KOMMEN IN VERSCHIEDENEN BEREICHEN ZUM EINSATZ:

  • Eine Zentrale Leitstelle/Rettungsleitstelle übernimmt die Koordination, Alarmierung und Lenkung von Rettungskräften, Einsatzkräften sowie für den Brand- und Katastrophenschutz.
  • Verkehrsleitstellen überwachen und steuern den Verkehr auf Straßen, Autobahnen, von Parkhäusern oder öffentlichen Verkehrsmitteln sowie von Schiffen, Zügen und Flugzeugen am Boden, um einen reibungslosen Ablauf und die Sicherheit zu gewährleisten.
  • Sicherheitsleitstellen sind meistens mit der Gebäudeleittechnik und anderen technischen Einrichtungen verbundene Leitstellen, die in Unternehmen oder Einrichtungen mit hohen Sicherheitsstandards zum Einsatz kommen.
  • Weitere potenzielle Einsatzmöglichkeiten sind insbesondere im Bereich der Überwachung von Netzen, Produktionsprozessen und dergleichen beispielsweise in Kraftwerken oder vielen Betrieben der kritischen Infrastrukturen zu finden.


ARBEITSALLTAG EINES (SICHERHEITS-)LEITSTELLENTEAMS

Da Leitstellen in der Regel 24/7 besetzt sind, wird der Arbeitstag von mehreren Schichten abgedeckt. Daher finden mehrere Schichtübergänge statt, die von folgenden Problemen behaftet sein können. Zur Einrichtung des Arbeitsplatzes bleibt oftmals nicht genug Zeit, da schon die nächsten Meldungen und Alarme anstehen. Ablösezeiten sind zu knapp definiert, sodass sich die Folgeschicht nicht mit den aktiven Vorgängen (Durchschau der Meldungen, Mailverkehr etc.) beschäftigen und Rückfragen stellen kann. Dies ist insbesondere nach längeren Abwesenheiten (Krankheit, Urlaub etc.) sehr ungünstig.


Bei der Nachvollziehbarkeit von Meldungen kommt es auf die Dokumentationsqualität des Vorgängers an. Fehlende Angaben, nicht ausgefüllte Pflichtfelder, Rechtschreibfehler, Fantasienamen oder falsche Bezeichnungen für eigentlich festgelegte Begrifflichkeiten sind Faktoren, die sich negativ auf die Nachvollziehbarkeit, statistische Auswertung oder eine saubere und qualitative Dokumentation auswirken. Nicht zuletzt spielt auch die Qualität des Dokumentationstools eine Rolle. Passt es zu den täglichen Anforderungen, wird mit vorgefertigten Elementen, Checkboxen, Entscheidungsbäumen etc. gearbeitet, die die Arbeit und auch die Dokumentation erleichtern.


Es kann aber auch der Fall sein, dass so viel zu tun ist, dass die aktive Schicht froh für jede Unterstützung ist und dann schnellstmöglich in den Feierabend entschwindet. Somit passiert es häufig, dass „die Ablöse“ unvorbereitet in die Schicht einsteigt und zur Vorbereitung nur das Nötigste schafft: ANMELDEN • AUFSCHALTEN • REAGIEREN.


Im täglichen Doing tauchen die nächsten Probleme auf. Kommt es zu einer fehlenden Übergabe, kann auf Rückfragen/Anfragen, die sich auf die vorherigen Vorgänge beziehen, nicht ad hoc reagiert werden. Es muss sich erneut ein Überblick verschafft werden, um eine qualifizierte Aussage treffen zu können. Dies ist für beide Seiten unbefriedigend und führt zu einem Zeit- und Qualitätsverlust.


Sicherheitszeitschrift SICHERHEIT. Das Fachmagazin. (ePaper)

(VERALTETE) TECHNISCHE LEITSTELLENSYSTEME

In einer Leitstelle finden zahlreiche (Überwachungs-)Systeme Anwendung. Videoüberwachung, Überfall- und Einbruchmeldeanlagen, Verkehrsleitung-/lenkung, Gebäudeleittechnik, Brandmeldesysteme, Zutrittsmanagement und weitere technische Einrichtungen. Diese agieren mit den unterschiedlichsten Softwareprogrammen, wenn kein intelligentes Leitstellenmanagementsystem zum Einsatz kommt, was eine Vielzahl der Systeme mit Schnittstellen anbindet und über eine einheitliche Benutzeroberfläche steuert.


Weit gefehlt, wer nun denkt, dass technische Systeme immer zu 100 % funktionieren und vor allem in zeitkritischen Situationen das tun, was sie eigentlich tun sollten.


Neben der (einzelnen) Systemunterbrechung durch Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten leidet das Leitstellenpersonal oft unter der fehlenden Ausgereiftheit der Systeme und den nur unzureichend hinterlegten klaren Anweisungen und Meldeketten.


Besonders tückisch ist die Anzahl an Fehlalarmen, die bei zunehmender Häufung dazu beitragen, dass die Aufmerksamkeitsspanne stetig sinkt und dem System/Ton kein Gehör mehr geschenkt wird. Stichwort: Stecker ziehen, Papier zwischen die auslösenden Tasten klemmen, Lautstärke herunterdrehen. Doch das ist fatal und könnte im schlimmsten Fall Leben kosten.


Ist es nicht der überlastete Datenspeicher oder die Malträtierung durch Geräusche, können auch fehlende Kenntnisse in der Anwendung der Systeme zum Problem werden.


DAS ARBEITSAUFKOMMEN IN LEITSTELLEN IST NICHT IMMER VON GLEICHEM CHARAKTER UND PENSUM. IN JEDER VERMEINTLICHEN RUHEPHASE KANN PLÖTZLICH DER ERNSTFALL EINTRETEN. DANN IST HUNDERTPROZENTIGER EINSATZ GEFORDERT UND DIES ZU JEDER TAGES- UND NACHTZEIT.

  • Was ist beispielsweise zu tun, wenn eine Videokamera inaktiv ist?
  • Wer muss informiert werden?
  • Was sind mögliche Sofort- oder auch Folgemaßnahmen etc.?


(PROZESS-)FEHLER LASSEN SICH DURCH REGELMÄSSIGE SYSTEMSCHULUNGEN, PENETRATIONSTESTS UND GANZHEITLICH AUFGESTELLTE VERSCHRIFTLICHTE STRUKTUREN UND PROZESSE VERMEIDEN.


WELCHES PERSONAL EIGNET SICH FÜR (SICHERHEITS-)LEITSTELLEN?

Ein weit verbreitetes Problem ist der Mangel an Fachkräften sowie der demographische Wandel. Oft sind es kurz vor dem Ruhestand stehende Personen, die einen Goldschatz an Wissen und Erfahrung in sich tragen. Sie besitzen die nötige Resilienz, kennen sich hervorragend an ihrem Arbeitsplatz aus und wissen jederzeit, was zu tun ist. Doch all dieses Wissen kann nicht 1:1 weitergegeben werden und die Kompetenz dieser geschätzten Belegschaftsmitglieder erst recht nicht. Hier bedarf es des Willens der Führungskräfte und des Unternehmens, echten Wissenstransfer (rechtzeitig!) zu betreiben und sämtliche Abläufe in Prozesse zu skizzieren, um sie für die Nachwelt festzuhalten. Klare Strukturen unterstützen auch beim Onboarding neuer Mitarbeiter, da der Einarbeitungsprozess dadurch ggf. verkürzt werden kann und das neue Leitstellenpersonal alle Abläufe nach den aktuell gültigen Vorgaben abarbeitet. Je nach Kompetenz lassen sich sämtliche Prozesse auch mit dem „neuen“ Blick nochmal umdenken und ggf. neu aufstellen, was zu mehr Qualität und Effizienz führt.


Die Suche nach adäquatem Ersatz für eine 24/7-Schichtarbeitsstelle gestaltet sich zunehmend schwierig und wird oftmals falsch angegangen. Keine ausreichenden Qualifizierungsvorgaben, unzureichende monetäre Entlohnung oder der Freizeitausgleich stehen nicht im Verhältnis zur Arbeitsleistung. Auch die Stellenbeschreibung selbst gestaltet sich als Herausforderung. Wer skizziert das aktuell gültige Anforderungsprofil des Leitstellenmitarbeiters von morgen, wenn es keine fachkundige Führungskraft gibt, die auch schon in der Leitstelle mitgearbeitet hat.


In Bezug auf die jeweils notwendige Qualifikation kommt es auf die Art des Unternehmens und den Tätigkeitsbereich an. Hierbei ist zu unterscheiden, ob es sich um eine Sicherheitszentrale in einem Unternehmen handelt, eine Leitstellenaufgabe mit zusätzlich fachspezifischer Eignung (z. B. Verkehrsmeister oder Elektriker), oder um behördliche Einsatzleitstellen. Neben der fachlichen Aus- und Weiterbildung sollten themenspezifische Schulungen und eine Qualifikationserweiterung selbstverständlich und Voraussetzung einer jeden Stellenausschreibung sein.


Letztlich trägt auch die Arbeitsplatzgestaltung maßgeblich dazu bei, die Motivation der Belegschaft zu erhöhen. Diese sollte sich zum einen an den gängigen Richtlinien orientieren und zum anderen optimal für die Verrichtung der Tätigkeiten aufgebaut sein. Welches System steht wo, weil es oft genutzt wird? Wie viele Bilder müssen auf einen Monitor projiziert werden? Wie groß ist er? Welche Ablagefächer, Schubladensysteme etc. werden

benötigt? Wie weit sind Pausenräume, Teeküchen etc. entfernt?


Daher gilt es auch als verantwortliche Person für Leitstellen, Sicherheitszentralen, Arbeitsplätze mit Überwachungsaufgaben sich einmal mehr mit den Aufgaben, Abläufen und Problemen im täglichen Live-Betrieb zu beschäftigen. Dies führt häufig zu mehr Verständnis für die Herausforderungen des Alltags und zur Verbesserung der Arbeitsatmosphäre.


Dieser Artikel ist mit freundlicher Unterstützung von Jenny Stoklas entstanden, 12 Jahre im Bereich der Sicherheit tätig - davon 7 Jahre Leitstellenerfahrung.

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